Ich wachse auf im dicht besiedelten Kreuzberg. Damals wie heute ist er Schmelztiegel der Kulturen, im täglichen Miteinander trifft eine Fülle an Lebens- und Denkkonzepten aufeinander. Das hinterlässt Eindruck. Hier verbringe ich Schulzeit und Berufsausbildung, baue eine Tischlerei mit auf und schließe die Meisterausbildung ab. Der Kiez gibt so vielen verschiedenen Lebensformen Heimat. Lehrt mich, wie bereichernd Unterschiedlichkeit sein kann. Ich setze mich mit vielen Anderen dafür ein, den Stadtteil vor der Zerstörung zu bewahren. Leidenschaftlich. Und doch sind es genau diese Vielfalt und die daraus entstehenden Konflikte, die mir den Anstoß zur Veränderung geben.
Tiefgreifendste Erkenntnis: „Vielfalt ist anstrengend. Eintönigkeit jedoch einschläfernd bis tödlich.“
Das tägliche Leben vieler Menschen hier ist von Perspektivlosigkeit gezeichnet. Als Entwicklungshelfer setze ich mich an ihrer Seite für ein besseres Leben ein. Unabhängiger. Selbstbestimmter. Für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) beginne ich, Jugendliche als Tischler auszubilden. Doch rasch muss ich lernen, dass sie Anderes wollen: Unterstützung für ihre ganz eigenen Wege. Gemeinsam mit den Salesianern Don Boscos baue ich ein Existenzgründungszentrum auf. Es bietet den Menschen umfangreichere Möglichkeiten, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Und fördert dort bis heute den Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Stärkster Eindruck: „Cada cabeca é um mundo / Jeder Mensch muss seinen ganz eigenen Weg gehen.“
Wieder zurück in Berlin ebnet mir ein Studium der Psychologie und der systemischen Beratung den Weg in die Arbeitswelt als Berater. In Projekten unterstütze ich kleine Unternehmen, zum Beispiel in Mosambik und Angola. Der beruflichen Bildung und dem Handwerk bleibe ich treu. Vier Jahre lang führt mich die Arbeit immer wieder auf die Kapverdischen Inseln. Dort kämpfen viele kleine, quer über die Inseln verstreute Handwerksbetriebe um ihr Überleben. Gemeinsam mit den einheimischen Kollegen verbessern wir Kooperation und Kommunikation. Vor allem untereinander. Aus der Zusammenarbeit im Kleinen wird so etwas Großes.
Wichtigste Einsicht: „Man muss nicht jede Einstellung teilen. Aber sie zu respektieren ist der erste Schritt zur Veränderung.“
Potsdam ist für meine Familie und mich zur Heimat geworden, die nun erwachsenen Söhne sind gern gesehene Gäste. Alte Ideologien, neue Freiheiten, Aufbruchsstimmung. Das Leben hier lässt mich tagtäglich neu begreifen, wie verschieden die Menschen in Ost und West lange Zeit gelebt haben.
Für die Carl Duisberg Gesellschaft (CDG), später inWEnt und GIZ, leite ich das Programm für Arbeits- und Studienaufenthalte (ASA). Hier werden junge Menschen qualifiziert, globale Zusammenhänge zu verstehen und zu gestalten. Lernen, Teilhabe und gesellschaftliche Verantwortung sind Mittelpunkt meiner Arbeit. Zeitweise verantworte ich die Ausbildung in internationalem Management in der Akademie für internationale Zusammenarbeit (AIZ). Im Entwicklungspolitischen Forum der GIZ gestalte ich Dialogveranstaltungen mit Entscheidern der globalen Politik für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Interessanteste Beobachtung: „Viele Minister betreten den Konferenzraum mit den gleichen Unsicherheiten wie Du und Ich.“
Für die GIZ übernehme ich Managementaufgaben in Kairo und Tunis. In Ägypten soll die Personalentwicklung in der öffentlichen Verwaltung verbessert werden. In Tunesien und Ägypten arbeite ich daran, die nationalen Menschenrechtsinstitutionen zu stärken. Beide Länder sind politisch tief gespalten. Eingebunden in die öffentlichen Strukturen, erlebe ich den Umbruch hautnah. Ägypten zerreißt vor meinen Augen in zwei Lager. Tunesien schafft es mit Mühe zum Minimalkonsens.
Nachhaltigste Erkenntnis: „Niemals aufhören, nach Wegen zu suchen, wie Menschen mit extrem unterschiedlichen Positionen zusammenarbeiten können.“
Im Nordirak, rund um Dohuk, leben zur Zeit 35% Binnenvertriebene und Flüchtlinge. Die Wirtschaft und die Menschen leiden stark unter den Folgen bewaffneter Konflikte. In den Siedlungsgebieten treffen Kulturen, individuelle Schicksale und schwierige Lebensbedingungen aufeinander. Ein fruchtbarer Nährboden für Konflikte. Für ein besseres Zusammenleben in der Gemeinschaft berate ich in den Camps für Binnenvertriebene und in den armen, umliegenden Gemeinden regelmäßig im Auftrag der GIZ zu Community Development. Themen die mich auch in Deutschland bewegen, als Berater, Bürger, Nachbar.
Ermutigendste Erfahrung: „Auch unter größten Schwierigkeiten entwickeln Menschen unglaubliche Kräfte.“